Der Irrtum, ein „Nein“ würde zur Kündigung der Bilateralen I führen
Um den Stimmbürger zu einem „Ja“ zu bewegen, wird behauptet, die EU werde die „Bilateralen I“ kündigen, wenn wir uns weigern, die Personenfreizügigkeit auf die 10 neuen EU-Staaten auszuweiten.
Wenn die „Bilateralen I“ wirklich auf dem Spiel stehen würden, wäre dies sehr ernst zu nehmen. Die Sorge von Wirtschaftsvertretern wäre verständlich. Es ist jedoch im höchsten Masse unwahrscheinlich, dass die EU die Bilateralen I kündigen würde.
Schon eine brisante Notiz zeigt aber das Gegenteil!
Dass eine Kündigung erfolgen werde, wird insbesondere vom Wirtschaftsverband „Economie-Suisse“ behauptet. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dieser Verband den (bezahlten) Auftrag übernommen hat, den Abstimmungskampf für ein „Ja“ zu führen. Nun ist jedoch ein E-Mail ausgerechnet des Economiesuisse-Vertreters in Brüssel an seine Zentrale in Zürich bekannt geworden, in dem steht, die EU wolle die Bilateralen I bei einem „Nein“ nicht kündigen. Man solle jedoch „dies der SVP nicht sagen“.
Dieses E-Mail kann nicht überraschen. Auch der Bundesrat hat in der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats nicht erklären können, wo die EU gedroht haben soll, die Bilateralen I zu kündigen. Die EU wird sich hüten, die Vorteile aufzugeben, die ihr die „Bilateralen I“ bringen. Bei einer Kündigung könnte z.B. unser Land die Preise für EU-Lastwagen beliebig anheben oder deren Durchfahrt verbieten.
Die Möglichkeit eines „Nein“ wurde uns eingeräumt
1999 hat uns die EU bei den „Bilateralen I“ bewusst die Möglichkeit eingeräumt, bei der jetzigen EU-Osterweiterung „Nein“ zum freien Personenverkehr zu sagen: Damals war bekannt, dass in Kürze neue Staaten beitreten werden. Die EU hat jedoch beim Abschluss der „Bilateralen I“ auf die Klausel verzichtet, dass die Personenfreizügigkeit beim Beitritt neuer EU-Staaten automatisch ausgeweitet werden müsse.
Im Abstimmungskampf zu den „Bilateralen Verträgen I“ (Mai 2000) wurde denn auch den Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern von offizieller Seite erklärt, unser Land könne bei der EU-Ost-Erweiterung (also jetzt) in aller Freiheit entscheiden, ob sie eine Ausweitung der Personenfreizügigkeit wünsche oder nicht. Es ist inakzeptabel, wenn nun das Gegenteil behauptet wird.
Binsenwahrheit Nr. 8:
Die EU hat uns eben erst vertraglich ermöglicht, die Ausweitung der Personenfreizügigkeit abzulehnen.