SD für Einschränkungen bei Zweitwohnungen
Adrian Pulver, SD-Zentralsekretär, BernAm 11. März 2012 stimmte* das Schweizer Volk über die Volksinitiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“ der Institution „Helvetia Nostra“ vom unabhängigen Umweltschützer Franz Weber ab. Das Anliegen verlangt die Verankerung eines gesetzlich festgelegten Höchstanteils von 20% an Zweitwohnungen für jede Gemeinde. Dabei wird sowohl der Gesamtbestand an Wohneinheiten als auch die für Wohnzwecke genutzte Bruttogeschossfläche erwähnt. Bundesrat und Parlament empfehlen die Vorlage erwartungsgemäss zur Ablehnung, zumal eine lose formulierte Ausgewogenheit zwischen Erst- und Zweitwohnungen der Problematik genügend Abhilfe schaffen soll. Demnach formulierte die Ratsmehrheit einen entsprechenden indirekten Gegenvorschlag. Den Gemeinden mit tieferen Anteilen drohen angeblich zusätzliche Wettbewerbsnachteile. Bei dieser Stellungnahme könnte die Perspektive verfehlter nicht sein, wobei sämtliche Schalmeienklänge über Nachhaltigkeit nur im Rahmen von Wahlkampfaktionen wirklich ernst gemeint scheinen.
Zahlen und Fakten
In den letzten zehn Jahren wird die Schweiz von einer immensen Einwanderungswelle heimgesucht, man spricht von ca. 80‘000 Personen pro Jahr. Zudem verbetoniert die Bauindustrie jede Sekunde einen Quadratmeter an Boden. Während dem die Agglomerationen allmählich zusammenwachsen, sind auch die Bergregionen zunehmend bedroht. Skrupellose Investoren erzeugen auf die empfindliche Flora und Fauna einen geradezu zerstörerischen Wachstumsdruck. Diese Entwicklung ist bereits seit einiger Zeit im Gang. Der Konkurrenzkampf in den touristisch geprägten Regionen provoziert eine ständige Ausweitung der vorhandenen Infrastrukturen und verhindert eine der Attraktivität dienende ökologisch verträgliche Entwicklung. Die endlos fortschreitende Errichtung von Zweitwohnungen stellt das wohl wesentlichste Beispiel dar. Als solche bezeichnet man alle Objekte, die von Privatpersonen (Eigentümern) nur zeitweise als Feriendomizil benutzt werden. Vermietete Wohnungen fallen nicht unter diesen Begriff und werden von der Initiative ausgeblendet.
Zum heutigen Bestand von ca. 600‘000 Zweitwohnungen kommt jährlich die stattliche Anzahl von 8‘000 weiteren Wohnobjekten hinzu, was etwa mit der Stadt Solothurn gleichzusetzen ist. Davon können 62% den Berggebieten angerechnet werden. Die Folge spürt man indes bei der Abnahme von landwirtschaftlich genutzten Flächen, der Zunahme an Leerwohnungen infolge Überkapazitäten (auch „kalte Betten“ genannt) oder den rapide steigenden Grundstück- und Immobilienpreisen allgemein. Mit der Verdrängung des primären Sektors aus den alpinen Gebieten verschwindet neben schweizerischem Kulturgut auch die Möglichkeit der betriebswirtschaftlichen Diversifizierung. Stattdessen sind Teile der einheimischen Bevölkerung ohne touristische Tätigkeit gezwungen, in das ländliche Unterland oder gar in urbane Gebiete umzuziehen. Die Höhe der Wohnkosten entspricht ungefähr dem Niveau einer schweizerischen Grossstadt, wobei sich die Löhne weit darunter befinden. Somit unterliegen diesem volkswirtschaftlichen Wandel auch unberechenbare Verluste, die bei ausbleibenden Regulierungen und Fördermassnahmen nur sehr schwer zu korrigieren sind.
Knapp ein Viertel aller Schweizer Gemeinden haben Anteile von über 20% an der Gesamtwohneinheit. Betrachtet man die kantonale Statistik, so verfügen alpine Wohnkantone wie Graubünden und Wallis über Höchstwerte von 81% respektive 78%. Darin spiegeln sich touristische Stätten wie Leukerbad VS mit 73% oder Churwalden/Lenzerheide GR mit 70%. Zudem stellt sich die Frage nach dem realen Gewinn, der mithilfe eines liberalen Marktes und falschen Anreizen wie der Pauschalbesteuerung von vermögenden ausländischen Staatsbürgern, der angestrebten Aufhebung der „Lex Koller“ (Einschränkung des Grundstückerwerbs von Ausländern) oder dem unkontrollierten Steuerwettbewerb erzielt werden soll. Es sprechen lokale Akteure von sanftem Tourismus, während Gemeinden wie Andermatt quantitative Strategien mit neuen Grossüberbauungen („Andermatt Resort“) verfolgen und hoffen, dass die künftigen Entwicklungen dem eigenen Standort lediglich Vorteile bescheren und stets zu steuern seien.
Betrachtet man die Nachfrage der aktuellen Marktsegmente, so stösst man unweigerlich auf ein zentrales Argument. Die wahre Anziehungskraft liegt in der natürlichen Landschaft und weniger in der dazugehörenden Infrastruktur. Diese These wurde vor ungefähr einem halben Jahr vom Tourismus Monitor Schweiz veröffentlicht und stützt sich auf repräsentativen Gästebefragungen von Schweiz Tourismus (TS). Daher zeigt sich qualitative nachhaltige Entwicklung viel mehr in stetigen Investitionen für bestehende Angebote. Diese sollen sich sowohl nach den erwarteten Gästen als auch nach den Bedürfnissen der Natur richten. Gemäss dieser Zielsetzung haben sich die Standorte längst erfolgreich positioniert und könnten getrost auf ein flächenorientiertes Wachstum verzichten.
Behalten wir Bewährtes bei und schützen die Einzigartigkeit der Schweizer Berge! Legen Sie daher ein kräftiges JA zur Volksinitiative „Schluss mit uferlosem Bau von Zweitwohnungen!“ in die Urne!*
* 11. März.2012
Es ist ein Riesenerfolg, ein historischer Sieg, dass diese Initiative angenommen wurde.
Die Schweiz – ein urbaner Siedlungsraum – oder Ist die Gross-Stadt Schweiz bereits Realität?
Valentin J. Oehen, e. Nationalrat, KönizNichts wäre falscher, als die Architekten Herzog/de-Meuron vom ETH-Studio Basel zu verteufeln, weil sie die ganze Schweiz in ihrer Studie als urbanen (=städtischen) Siedlungsraum bezeichnen und entsprechende Betrachtungen anstellen.
Sie haben nichts anderes getan, als die Folgen der Wachstumspolitik der letzten 50 Jahre (Bevölkerung, Wirtschaft, Überbauungen, Verkehrsanlagen etc.) zu beurteilen und die Entwicklung in die Zukunft zu extrapolieren. Sie haben sich Gedanken gemacht, wie trotzdem ein erträgliches Umfeld geschaffen werden könnte.
Eigentlich machen sie auf ihrem Gebiet dasselbe, was Prof. Kneschaurek zu Beginn der 70er Jahre machte, als er für die Schweiz eine Einwohnerzahl von 10 Mio. Menschen bis zum Jahr 2000 voraussagte, für den Fall, dass die Einwanderungs- und Wachstumspolitik der 60er Jahre (mit Nettozuwanderungen bis zu 110 000 Menschen pro Jahr) weitergeführt würde. .
Dass es dann doch nicht soweit kam, ist im Wesentlichen den Anstrengungen der Nationalen Aktion zu verdanken.Wenn heute keine politisch wirksamen Anstrengungen unternommen werden, um die Bevölkerungszunahme zu stoppen, die Verbauerei des Landes zu verunmöglichen, wird die Vision der Herren Herzog/de Meuron im besten Falle Wirklichkeit werden. Im schlechteren Falle werden wir in einem Agglobrei mit sinnlosen Pendler-Strömen und krebsartig wuchernden Siedlungen dahinvegetieren.
Die Erlebnis-Einkaufszentren auf der „Grünen Wiese“ wird es nicht mehr geben, weil die „Grünen Wiesen“ fehlen werden und statt derer der Aphalt-Beton-Dschungel das Autofahrerherz (dank reichlichen Parkplätzen!) erfreuen wird. (Und der Holcim-Zement-Konzern wird immer neue Rekordgewinne dem staunenden Publikum präsentieren!)
Berggebiete als „ewige Patienten“
zu bezeichnen, ist für die dort lebende Bevölkerung ebenso beleidigend, wie die chronische Geringschätzung der Lebensmittelproduktion für die ganze Landwirtschaft. Klar, dass von den mit der Natur arbeitenden Menschen in absoluten und noch mehr in relativen Zahlen sinkende Beiträge an das Bruttoinlandprodukt ausgewiesen werden, wenn die Preise für ihre Produkte dauernd gedrückt werden. Die Politik der Preisdrückerei für die lebensnotwendigen Güter im Interesse der Güter des Wahlbedarfs und des Luxuskonsums wird eines Tages auch für die Industriestaaten bittere Folgen haben. Schon vor über 10 Jahren schrieb ein Kritiker der heutigen Preispolitik:
«Offenbar „lohnt“ es sich nicht mehr in Europa Nahrungsmittel zu produzieren! Ist das nicht Wahnsinn? Der Grund: Die Menschen wollen nicht einmal für das Lebenswichtigste den Preis zahlen, der die Kosten deckt, weil sie ihr Geld lieber für Unwichtiges ausgeben. Die deutsche Durchschnittsfamilie gab 1960 noch 45% ihres Einkommens für die Ernährung aus, 1970 waren es 35%, 1982 schliesslich 27 % und 1990 noch 24%. Das ist sogar schon ein Problem für die Entwicklungsländer geworden; denn auch dort erhalten die Bauern keinen angemessenen Preis, der sie veranlassen könnte, ihren Anbau zu erhöhen. Und die Vereinigten Staaten unterbieten die Preise, weil sie mit ökologisch schändlichen Methoden produzieren und überdies ihre Preise noch subventionieren. Und durch die völlige Freigabe des Handels (GATT – heute WTO) wollen sie die Europäer zwingen, ihre eigene Landwirtschaft dem Ruin auszuliefern.»
Übrigens, die Schweizer Durchschnittsfamilie gibt 2005 noch ca. 8% ihres Einkommens für die Ernährung aus!
An der FAO-Tagung in Rom vom vergangenen Oktober wurde bekannt gegeben, dass derzeit 852 Millionen Menschen in aller Welt Hunger leiden, mehr als je zuvor. Allein in diesem Jahr sind nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) bereits über sechs Millionen Menschen verhungert, täglich sterben weitere 25 000, weil sie nicht genug zu essen haben.
Gewiss, solange es Überschussgebiete gibt, ist es lediglich eine Frage des Geldes, ob ein Volk genügend Nahrungsmittel bekommt oder nicht. Aber was, wenn z.B. die weltweiten Transporte mangels Treibstoff oder wegen Unruhen und Kriegen (siehe z.Zt. Frankreich und gewisse afrikanische und asiatische Staaten) nicht mehr sichergestellt werden können?
Und die Lebensqualität ...
Die Stadt ist kinderfeindlich! – so weiss man seit jeher. Und tatsächlich – die Kinderfreundlichkeit und die Geburtenfreudigkeit ist in der wachsenden, urbanen Schweiz massiv eingebrochen. Die heutigen Geburtenzahlen (1,4 pro Frau) lassen den Schwund der ursprünglichen Bevölkerung in rasantem Tempo als unausweichlich erscheinen. Das heisst aber keineswegs, dass der Wachstumsmotor – Bevölkerungszunahme - der urbanisierten Schweiz ins Stottern kommen wird. Die Einwanderung von heute netto über 50 000 Menschen aus der ganzen Welt wird sich dank der Personenfreizügigkeit aus dem europäischen Osten solange erhöhen, bis die Lebensbedingungen hier ebenso schlecht sein werden wie heute in Serbien, Bosnien, dem Kosovo, Rumänien, der Türkei usw.
Der Charakter der Wohnbevölkerung wird sich massiv ändern, und wie weit eine echte Integration möglich sein wird, ist eine offene Frage. Ähnlich wie für die Krawalle in Frankreich baut sich bei uns schon jetzt und gewiss noch mehr in Zukunft ein Konfliktpotential auf, das uns noch viele Sorgen bereiten wird
.Die Mutter junger Erwachsener bekannte mir in diesen Tagen spontan, sie empfehle ihren Kindern, selbst keine Kinder mehr in die Welt zu setzen. Auf die Vorhaltung, dass damit dem Untergang des eigenen Volkes Vorschub geleistet werde, meinte sie:“ Ja, das stimmt – aber in unserer Gesellschaft hat es keinen Platz mehr für Kinder.“
Zum Zeitpunkt dieses Aufsatzes werden die Gemeindewahlen von Köniz vorbereitet. Wie der heutigen Tagespresse (9.11.) zu entnehmen ist, brüstet sich der amtierende Gemeindepräsident mit 5 Wachstumszonen im ohnehin schon im Verkehr erstickenden, stadtnahen Gemeindeteil:
- Wohnungen für 1 000 Personen und ein asiatisches Einkaufszentrum bei den Vidmar-Hallen (Gemeindegrenze);
- Eine „wunderschöne“ Wohnungsüberbauung im Zentrum von Köniz auf dem letzten offenen Land zwischen SchlossAreal/Friedhof und Stapfenstrasse;
- Einen „städtebaulichen Wurf“ sieht der wachstumssüchtige Herr Mentha im früheren Bauerndorf Schliern, das ohnehin schon zu einer Zivilisationswüste verkommen ist;
- Für 2300 Personen sei eine Überbauung im Ried – hinter dem Könizbergwald – geplant; usw. usf.
Die Verdichtung der Besiedelung ist heute das Schlagwort, damit noch mehr Menschen mit ihren Ansprüchen in den gleich bleibenden Raum hineingepresst werden können. Ein Wachstumsstopp scheint ausserhalb der Vorstellungswelt der politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen zu sein.
Ein Rückblick
In den politischen Auseinandersetzungen der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts kämpfte die Nationale Aktion gegen die Wachstumspolitik und war entsprechend verhasst.
Aus dieser Zeit stammt ein Gedicht von Fritz Schäuffele sel. , das hier als Abschluss zitiert sei.
Götzengebet
Erhabener Moloch, erhör unser Flehn,
lasse den Fortschritt nicht stille stehn,
gib Häuser und Strassen von Genf bis nach Chur,
dazu noch ein bisschen Infrastruktur!
Du siehst uns Erhab’ner, zum Opfer bereit.
Wir opfern dir täglich seit längerer Zeit
Das kostbarste, was unserm Volke gehört:
Den Boden, die Erde, die uns ernährt.
Wir opfern an Siedlungs- und Strassenrand
Dir täglich fast vierzig Jucharten Land,
ein grosses, ein stattliches Bauerngut!
Es gibt keinen Zweiten, der so etwas tut!
Erhabener Moloch, nimm’s gnädig an.
Und wenn du’s genommen – erkläre uns dann,
wovon wir auf betongepflasteten Schollen
im Fall eines Falles noch leben sollen!!